Inspirationsreise „The Green Village“

Am 12.06.2025 begaben sich Vertreter*innen des Ministeriums für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, des Ministeriums für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen sowie des Netzwerks Klimaanpassung und Unternehmen.NRW nach Delft in die Niederlande, um herauszufinden, was wir dort über Reallabore lernen können. Das Gelände macht einen einladenden Eindruck – wie der Name „Green Village“ sagt, gibt es viel Grün und dazwischen stehen innovative und kreative Bauten. Und an dem sonnigen Tag ist es gut, dass auf dem Gelände auch Sonnencreme-Spender stehen.

Gelände The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Gelände The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Sonnencreme-Spender The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Nach einem herzlichen Empfang präsentierte uns Floor Pina die Historie von „The Green Village. 2008 begann alles mit einem alten Fabrikgelände und der Idee der TU Delft gepaart mit politischem Willen. Es war ein langer und harter Weg, der von viel Arbeit, Finanzierungsfragen, falschen Entscheidungen und Fehlern, aus denen man gelernt hat, gezeichnet war.

Es werden derzeit circa 150 Innovationen auf dem Gelände getestet. The Green Village besteht aus 15 Gebäuden, davon acht Wohngebäude mit einer maximalen Wohnzeit von zwei Jahren und 14 permanente Wohnräume. Es sind circa 25 Angestellte tätig und das Fieldlab wird jährlich von etwa 20.000 Besucher*innen aufgesucht.

Die drei Schwerpunkte des Fieldlabs (so wird hier das Reallabor genannt), liegen auf

  • nachhaltigem Bauen und Renovieren
  • zukünftigen Energiesystemen
  • klimaresiliente Stadt (climate adaptive city).

 

Dabei zeigt sich, dass der “Hüpfer” von der theoretischen Idee zur Erprobung in “The Green Village” meist leicht zu nehmen ist. Die erprobten Ideen müssen dann einen weiteren „Schritt“ machen, um in lokale Pilotanwendungen außerhalb von „The Green Village“ zu kommen. Die größte Herausforderung ist es, dann den großen „Sprung“ zum Ausrollen (z.B. für eine gesamte Stadt) zu schaffen. Erst dann wird die Innovation für die Inventor*innen rentabel.

Während des sich an die Präsentation anschließenden Rundgangs konnten wir einige der Testungen bestaunen:

 

WaterStraat

In der Wasserstraße, einer „wiederabbaubaren Straße“, wird getestet, welche Lösungen für ein schnelles Abfließen des Wassers bei Überschwemmungen sorgen. 

WaterStraat bei The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Steine bei The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Schild WaterStraat The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Konferenzcenter mit passivem Klimakontrollsystem

Den Bau des Gebäudes auf Wänden aus Glas würde die niederländische Baugesetzgebung außerhalb des Textgebietes nicht zulassen, doch hier in The Green Village sind einige dieser Regelungen außer Kraft gesetzt. Man kann sich kaum vorstellen, dass ein komplett schwarzes Gebäude aus Glas in der Lage ist, die Innentemperatur intelligent selbst zu regulieren. Dies erfolgt hier über den Schacht neben dem Haus, in dem durch Reaktionen eine konstante Raumtemperatur gewährleistet wird. Das überstehende Dach schützt vor direkter Sonneneinstrahlung an den Außenseiten im Sommer, lässt die im Winter tiefer stehende Sonne jedoch die Außenseiten bestrahlen, um Wärme zu erzeugen.

Converge The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Converge Beschreibung The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Testung von Farben

Auch wird auf dem Gelände getestet, welche Auswirkungen die Farbgestaltung von Dachbedeckungen oder Gehwegen hat. Hierfür sind Temperaturmesser beispielsweise an unterschiedlich gefärbten Gehwegen angebracht. Außerdem wird getestet, ob die Ausrichtung zum Gewässer und der Wind Einfluss auf die Temperatur haben.

Wärmemessung The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Dachziegel The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Regenwasseraufbereitung und -nutzung

Auf dem Gelände wird Regenwasser aufgefangen, gefiltert und gespeichert. Nach der Aufbereitung wird es dem Wasserkreislauf zugeführt, beispielsweise für Haushaltsgeräte wie Wasch- und Spülmaschinen, Toilettenspülungen, etc.

Regenwasseraufbereitung The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Schwimmende Bauten

Getestet wurde ebenfalls, ob – ohne Nutzung eines Krans – Wohnraum auf dem Wasser gebaut werden kann. Dies ist gelungen. Nicht nur für Menschen wird Wohnraum geschaffen: Die daneben schwimmende begrünte Insel dient Tieren als Versorgungs-, Lebensraum und Nistplatz. Unterhalb der Wasseroberfläche befindet sich auch ein Bereich für Fische.

Bau auf Wasser The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Aquathermie

Darüber hinaus werden im Green Village Energiewände getestet, die zur Energieerzeugung Wärme und Kälte aus dem Wasser entziehen können. Dies sorgt für eine intelligente Integration der Energiegewinnung ohne zusätzlichen Raum- oder Materialverbrauch. Es stellt sich jedoch die ethische Frage, wie viel „Grad“ der Wassertemperatur entnommen werden darf, ohne zu sehr in die Natur einzugreifen.

Aquathermie The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Stadtbegrünung

Bäume in der Stadt bringen viele Vorteile. Sie spenden Schatten, absorbieren Schadstoffe und Lärm und bieten Lebensraum für Tiere. Doch die Bedingungen in der Stadt sind für Bäume nicht optimal. Sie sind – anders als in einem Wald – häufig der unmittelbaren Sonneneinstrahlung ausgesetzt und leiden unter Wasserknappheit und Bodenverdichtung.

Mit TreeNovations wird getestet, wie das Wachstum von Bäumen in Städten verbessert werden kann. In The Green Village wurden drei Bäume in unterschiedlich Behältnisse gepflanzt und der Stamm mit unterschiedlichen Materialien vor Sonne geschützt. Nach dem Test soll sich zeigen, welche Anpflanzungsmethode den Baum am besten gedeihen lässt.

Stadtbäume The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Erklärungstafel TreeNovations The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Innovationen an 70er-Jahre-Bauten – Dreamhûs

In den Niederlanden gibt es zahlreiche Reihenhäuser aus den 70er Jahren, bei deren Bau Themen wie die Klimaanpassung noch nicht mitgedacht wurden.

Daher wurden auf dem Gelände solche Bauten originalgetreu nachgebaut und mit Bewohner*innen versehen. So kann live erprobt werden, wie diese Bauten energieeffizient und nachhaltig angepasst werden können. Beispielsweise wurde schon getestet, wie Energie aus dem Abwasser gewonnen werden kann. Auch Dachbegrünung mit automatisierter Bewässerung aus Regenwasser kombiniert mit PV-Anlagen und Nistplätzen für Vögel, Fledermäuse und Insekten wird erprobt.

Dreamhus The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE
Siebzigerjahre-Nachbau The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Prêt-à-loger

Den Abschluss des Rundgangs bildete die Besichtigung des ersten von Studierenden erbauten Gebäudes auf dem Gelände. Damals habe man „zu viel gewollt“ und viele Fehler gemacht, aus denen jedoch gelernt werden konnte.

Erstes Gebäude bei The Green Village
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Nach einer Mittagspause widmeten wir uns dann der spannenden Fragen der rechtlichen Ermöglichung. Für das Reallabor haben mehrere niederländische Ministerien gemeinsam einen Rechtsrahmen geschaffen, der für die Erprobungen Ausnahmen von bestimmten gesetzlichen Regelungen vorsieht ( Beschluss vom 13. Juni 2017).

Screenshot Rechtsakt
© Jennifer Gerwing / MWIKE

Sobald Ergebnisse aus den Erprobungen auf dem Gelände darauf hindeuten, dass der bestehende Rechtsrahmen angepasst werden muss, wird dies durch die beteiligten Unternehmen an die Gesetzgeber adressiert. Auch die Themen „Versicherung“ und „Verträge mit Projektpartnern“ wurden tiefgreifend erörtert. Eine Herausforderung besteht auch darin, gute und zuverlässige Partner zu finden.

Wir sind mit vielen neuen Ideen nach Nordrhein-Westfalen zurückgekommen und danken „The Green Village“ für diese inspirierenden Einblicke!